Der „Dreimächtepakt“ (1940)

John Zimmermann (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr)

Der Zweite Weltkrieg veränderte die Welt. Nie zuvor hatten sich so viele Menschen gegenseitig bekämpft, niemals waren einem Krieg derart viele Menschen zum Opfer gefallen. Er war durchsetzt von Verbrechen in bis dahin nicht gekannten Ausmaßen. An seinem Ende stand mit der Atombombe der Einsatz einer Massenvernichtungswaffe, welche die Existenz der ganzen Menschheit, ja des gesamten Planeten bedrohte. Begonnen hatten ihn das Deutsche Reich in Europa und das Kaiserreich Japan in Ostasien. Ihre Heere, Luftstreitkräfte und Flotten trugen ihn buchstäblich in die Welt hinaus, indem sie ihre Nachbarn überfielen, deren Länder besetzten und ausbeuteten. Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten Europas ist bis heute beispiellos in der Geschichte, die japanische Kriegführung war erbarmungslos und menschenverachtend, den gegnerischen wie den eigenen Soldaten und der Zivilbevölkerung gegenüber. Alle beteiligten Gesellschaften beschäftigen die damaligen Geschehnisse bis heute. Dabei ist die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland und Japan so different, wie es das seinerzeitige Kriegsbündnis, der „Dreimächtepakt“ zwischen dem Deutschen Reich, dem Japanischen Kaiserreich und Italien, gewesen war. Er wurde am 27. September 1940 geschlossen und von den Vertragspartnern propagandistisch als „Achse Berlin-Rom-Tokio“ zu globalstrategischer Bedeutung erhoben.

Tatsächlich handelte es sich dabei um die militärische Erweiterung der Absprachen aus dem „Antikominternpakt“ von 1936, einem politischen Vertrag, in dem sich Deutschland und Japan auf die gemeinsame Bekämpfung der Kommunistischen Internationale mittels Informationsaustausches geeinigt hatten. Wesentlicher waren allerdings geheime Zusatzabkommen, in denen man sich im Falle eines nicht-provozierten Angriffs durch die Sowjetunion wohlwollende Neutralität zusicherte. Davon erfuhr nicht einmal die italienische Regierung, als sie diesem Pakt im Jahr darauf beitrat. Sowohl Tokio als auch Berlin durchbrachen mit diesem Pakt ihre außenpolitische Isolierung, nachdem beide 1933 aus dem Völkerbund ausgetreten waren. In beiden Ländern war diese Annäherung allerdings hoch umstritten und letzten Endes Ergebnis der Entwicklungen seit den Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg. Obwohl Japan als aufstrebende Regionalmacht in Ostasien auf Seiten der Sieger teilgenommen hatte, fühlte man sich rassistisch ausgegrenzt. In der Folge agierte Tokio zunehmend eigenständiger und geriet damit auf einen allmählichen Konfrontationskurs gegenüber den Kolonialmächten in Ostasien. Als hauptsächliche Bedrohung nahm man im Verlauf der 1930er Jahre allerdings die Sowjetunion wahr. Das war letztlich der entscheidende Grund, sich Berlin anzunähern, wo seit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 ein Regime herrschte, das sich den „Kampf um Lebensraum“ im Osten Europas dezidiert auf die Fahnen geschrieben hatte.

Einen erheblichen Katalysator dieser Entwicklung lieferte die Weltwirtschaftskrise seit Ende der 1920er Jahre und die in ihrem Gefolge grassierende Schutzzollpolitik der Industrienationen. Sie stärkten in Deutschland und Japan die Position jener, die in der Schaffung eines eigenen autarken Wirtschaftsraumes und einer autoritären Führung die Lösung erkennen wollten, gegebenenfalls auf dem Weg der Gewalt. Ihre zunehmend aggressivere Außen- und Aufrüstungspolitik sprengte die eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten und beförderte erst recht Begehrlichkeiten zu deren Erweiterung. Bei allen innen- und außenpolitisch andersartig gelagerten Hintergründen fallen die Ähnlichkeiten in den Entwicklungen der beiden Staaten auf. Hier wie dort entstand dadurch in der Innenpolitik ein gefährlicher Nährboden für einen radikalen Nationalismus, der die expansiven Ansprüche entscheidend motivierte. Japans Ausgreifen vor allem gegenüber China seit 1931 basierte auf diesen Überlegungen ebenso wie die deutschen Aggressionen in Europa ab 1936. Mit ihnen zerstörten Japan und das Deutsche Reich in den 1930er Jahren genau das System kollektiver Sicherheit, das mit dem „Völkerbund“ als scheinbare Lehre aus dem Ersten Weltkrieg als Garant für Frieden und Wohlstand definiert, aber nie wirklich gefestigt worden war.

In Hitlers Kalkül wurde ein Bündnis mit Rom und Tokio umso wichtiger, als sich Großbritannien einer Partnerschaft beharrlich verweigerte. Zum einen schlossen beide Mächte mit ihren erheblichen Flottenstärken eine Fähigkeitslücke der deutschen Kriegsplanung. Zum anderen stellten sie ständige strategische Bedrohungen für die französischen und britischen Besitzungen im Mittelmeer, dem Nahen Osten, Afrika und Ostasien sowie im Pazifik dar – zumal nach dem deutschen Überfall auf Polen und den so provozierten Kriegserklärungen aus Paris und London.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Truppen des japanischen Kaiserreiches im Krieg gegen China seit 1937 weit weniger erfolgreich als erhofft. Außerdem hatte ihnen die Rote Armee im japanisch-sowjetischen Grenzkonflikt 1938/39 ihre Grenzen aufgezeigt. In dieser Situation entstand durch die europäischen Niederlagen der Kolonialmächte Frankreich und der Niederlande sowie der nachhaltigen Schwächung Großbritanniens im Frühjahr 1940 in Südostasien ein Machtvakuum. Von einem Zugriff auf deren Besitzungen in Indochina sowie Niederländisch-Indien versprach sich Tokio, sowohl die Nachschublinien Chinas aus Indien abzuschneiden als auch das eigene Rohstoffproblem einzudämmen. Die USA als Haupthandelspartner Chinas und nun einzig verbliebene relevante Weltmacht in der Region reagierten entsprechend alarmiert auf den japanischen Druck auf Paris und London. Als eindeutige Warnung verlegte Washington im Mai 1940 seine Pazifikflotte von der eigenen Westküste nach Hawaii. Tokio zeigte sich davon unbeeindruckt und zwang Vichy-Frankreich unmittelbar nach dem Waffenstillstandsabkommen mit dem Deutschen Reich, alle Hilfslieferungen für China zu stoppen. Großbritannien, das in Europa nun alleine und um sein Überleben kämpfte, lenkte daraufhin ebenfalls ein: Am 18. Juli 1940 schloss es die andere Lebensader des chinesischen Nachschubs, die 1.160 Kilometer lange Burma-Straße.

Weil in der Bewertung des japanischen Generalstabs vom Juni 1940 das Deutsche Reich künftig Europa beherrschen und Großbritannien entweder besiegt oder auf eine Partnerschaft mit den USA existenziell angewiesen sein würde, plädierte man nun für eine militärische Allianz mit Berlin, einen Ausgleich mit der Sowjetunion und eine Beilegung des chinesischen Krieges, um alle Kraft auf eine Südexpansion konzentrieren zu können. Gegen die Bedenken der Marineführung, eine Auseinandersetzung mit den beiden führenden Seemächten gleichzeitig sei auf Dauer nicht zu bestehen, setzte Ministerpräsident Konoe am 27. Juli 1940 das neue außenpolitische Konzept durch. Zwei Tage später kündigte Washington ohne Vorwarnung den Handelsvertrag mit Tokio zum Januar 1941. Zu diesem Zeitpunkt lieferte die US-Wirtschaft über 75 Prozent des für die japanische Stahlproduktion eminent wichtigen Schrott-, über die Hälfte des Kupfer- und 80 Prozent des Rohölbedarfs, dazu noch rund 60 Prozent der Werkzeugmaschinen.

Infolgedessen war der am 27. September 1940 zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Japan abgeschlossene „Dreimächtepakt“ aus dem Blickwinkel Tokios vor allem darauf ausgerichtet, die USA unter Druck zu setzen, während Hitler den neuen Verbündeten drängte, die Gelegenheit zu einem Angriff zunächst auf die britischen Kolonialbesitzungen zu nutzen. Dass sich Tokio mit einem Neutralitätsabkommen mit der Sowjetunion im April 1941 Ruhe an seiner Nordflanke verschaffte, bewerte auch Berlin positiv: Einerseits hoffte die deutsche Führung, die Beruhigung im Norden würde Tokio endlich zum Angriff im Süden ermutigen und damit anglo-amerikanische Kräfte samt Kriegsmaterial im Pazifik binden. Andererseits wollte man den längst beschlossenen Feldzug gegen die Sowjetunion im Alleingang gewinnen und die eingeplante Beute nicht teilen. Von solchem Misstrauen durchgängig geprägt, erwies sich die Zusammenarbeit zwischen den drei Hauptverbündeten von Anfang an als wenig konkret.